In memoriam Dr. Ernst Urbahn und Gattin
Am 14. Januar 1983 verstarb in seiner Vaterstadt Zehdenick Dr. Ernst Urbahn im 95. Lebensjahr, und nur einen Tag später folgte ihm seine Gattin. Damit sind zwei stets aktive Verfechter des Naturschutzes von uns gegangen, die uns wohl immer fehlen werden.
Ernst Urbahn wurde am 7. April 1988 in Zehdenick als Sohn eines Holzhändlers und Bankkaufmannes geboren. Nach dem Abitur am Carolinum in Neustrelitz studierte er in Heidelberg und Jena Naturwissenschaften und promovierte 1913 dort mit einer Arbeit über „Abdominale Duftorgane bei weiblichen Schmetterlingen.“ Er wurde Lehrer in Brandenburg und lernte unter den Schülerinnen seine spätere Frau kennen. Damit begann ein gemeinsames Leben im Dienst für die Jugend und für die Wissenschaft, das sicher für beide höchste Erfüllung bedeutete.
Der berufliche Weg führte Dr. Urbahn in das damalige Stettin, wo er bald unter seinen Fachkollegen durch eingehende Arbeiten über die Schmetterlingsfauna Pommerns bekannt wurde. Sie fanden ihren Niederschlag in einer Veröffentlichung in der Stettiner Entomologischen Zeitung (Heft I/II 1939) über die „Die Schmetterlinge Pommerns mit einem vergleichenden Überblick über den Ostseeraum,“ die noch heute als Standartwerk gelten kann. Urbahns wissenschaftliche Sammlungen und aller anderer Besitz wurden in Stettin ein Opfer der Bomben und 1945 kamen sie nur mit einem Handwagen, der ihre kümmerliche Habe trug, in das väterliche Haus nach Zehdenick zurück.
Die persönliche Haltung von Dr. Urbahn während der Zeit des Nationalsozialismus prädestinierte ihn in besonderer Weise, am Wiederaufbau des demokratischen Schulwesens mitzuarbeiten und so wirkte er mit ganzer Kraft bis zu seinem 69. Lebensjahr als Lehrer und Direktor in Zehdenick. Der dienstliche Ruhestand bedeutete aber kein Ausruhen, sondern verschaffte ihm nur die Zeit für intensive wissenschaftliche Arbeit, bei der immer in geradezu idealer Weise durch seine Frau unterstützt wurde. Dabei reichten seine Interessen weit über die Schmetterlingskunde und Entomologie hinaus und betrafen genauso die Ornithologie wie auch die Floristik und selbstverständlich den Naturschutz in allen seinen Bereichen. Die Arbeit von Dr. Urbahn fand bei staatlichen und gesellschaftlichen Organen hohe Anerkennung. Er war Mitglied zahlreicher in- und ausländischer Akademien und wissenschaftlicher Gesellschaften und auch Ehrenmitglied des Kulturbundes der DDR.
Die Akademie der Wissenschaften der DDR verlieh ihm die Leibniz-Medaille ihre höchste Auszeichnung und der Kulturbund der DDR ehrte ihn mit der Johannes-R.-Becher-Medaille in Gold. Sein ständiger Einsatz für den Schutz der Natur wurde mit der goldenen Ehrennadel für besondere Leistungen im Naturschutz der DDR gewürdigt. Die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Zehdenick war die verdiente Ehrung als bedeutender Bürger, über die er sich immer besonders gefreut hat. Bis zuletzt waren Urbahns aktiv und wir wollten es alle nicht wahrhaben, dass sie uns für immer verlassen haben. Wir werden Dr. Urbahn und seiner Gattin stets ein ehrendes Gedenken bewahren.
Dr. Hans-Joachim Bormeister
Erinnerung an Dr. Ernst Urbahn ist nie verblasst
Ernst Urbahn wurde vor 120 Jahren im Dreikaiserjahr 1888 am 8. April in der jetzigen Dammhaststraße 31 geboren. Ein Fenster in der zweiten Etage blickt auf die Havel. Wie er uns erzählte, befindet sich dahinter sein Geburtszimmer. Einige Jahre später kaufte sein Vater das Hausgrundstück in der Poststraße Nummer 15. Er war Holzhändler und lies es aufstocken und mit einem Anbau für ein Badezimmer versehen.
Ernst durfte mit seiner Schwester Emmi eine ungetrübte Kindheit verleben. Sein Vater und dessen Brüder weckten früh sein Interesse für Schmetterlinge, die er schon mit sieben Jahren selbst sammelte. Nach dem Besuch der Bürgerschule absolvierte er das Gymnasium Carolinum in Neustrelitz und studierte nach dem Abitur in Heidelberg, Berlin und Jena. Seine Doktorarbeit von 1913 trägt den Titel. „Abdominale Duftorgane bei weiblichen Schmetterlingen“ (das heißt am Bauch befindliche), die er mit magna cum laude (mit großem Lob) abschloss. 1914 legte er sein Staatsexamen mit Auszeichnung ab. Von 1914 bis 1916 war er in Brandenburg/Havel im Schuldienst tätig, wo Herta Schröer seine Schülerin war, die später seine Frau wurde. Ihr Vater war dort Stadtbaumeister. Anschließend erhielt Dr. Urbahn eine Anstellung als Oberlehrer in Schwiebus und ab dem 1. Juli 1920 in Stettin, so das sie noch im gleichen Jahr heiraten konnten. In seiner Ehefrau fand er eine unermüdliche und kritischer Mitarbeiterin, mit der er sich sein Standartwerk „Die Schmetterlinge Pommerns“ setzte, das sie in zwanzigjähriger gemeinsamer Arbeit vollendeten. So war ihr Urlaub immer ein Arbeitsurlaub. Kinder hatten sie nicht.
In Stettin schufen sie in ihrer Freizeit eine umfangreiche und akkurate Schmetterlingssammlung, welche sich dort im Museum befand und 1945 bei einem Bombenangriff vernichtet sein soll. Von anderen wurde gesagt, dass sie sich in Warschau befindet. Auf anfragen haben sie nie eine Antwort bekommen. 1927 übernahm Urbahn ehrenamtlich die Schriftleitung der Entomologischen Nachrichten Deutschlands. Beide arbeiten intensiv an Forschungsaufträgen und ihrer Weiterbildung. Der zweite Weltkrieg zwang sie, für drei Jahre im Rahmen der 2inderlandverschickung mit weiteren Kollegen und Schulklassen auf Rügen Zuflucht zu suchen. Nach der Rückkehr 1945 standen sie in Stettin vor dem Nichts, versuchten aber, unter schwierigen Bedingen trotzdem weiter zu arbeiten. Als sie unter polnischer Herrschaft als Deutsche keine Lebensmittelkarten bekamen, machten sie sich im September mit einem selbst gebauten Wägelchen auf den Weg nach Zehdenick, denn Zugverkehr gab es nicht mehr.
Schon auf dem Heimweg stellte er sich der Schulbehörde in der damaligen Kreisstadt Templin zur Verfügung und beide begannen daneben trotz ihres Alters und allen Widrigkeiten der Nachkriegszeit, eine neue Schmetterlingssammlung aufzubauen. Zu ihrem Lebensende war sie mit 2.500 Arten angewachsen und wurde dem Naturkundemuseum in Berlin vererbt. Dadurch, dass Stettin mit Hinterpommern polnisch wurde, war ihrer wissenschaftlichen Arbeit wesentlich die Grundlage entzogen. Dennoch begannen sie in Zehdenick kurz vor dem Rentenalter noch einmal von vorn. Dr. Urbahn baute entscheidend das Gymnasium in Zehdenick mit auf, das später zur neuen Kreisstadt Gransee verlegt wurde. Befördert wurde er weder in der Nazi-Zeit noch in der DDR, weil er kein Parteimitglied war. In- und ausländische Auszeichnungen wurden ihm trotzdem zuteil, denn er hatte mit seiner Frau 185 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, die wegen ihrer Verlässlichkeit in Fachkreisen große Beachtung fanden. Mit der Leibniz-Medaille wurde ihm die höchste Ehrung der Akademie der Wissenschaften der DDR für außerberufliche Arbeit zuteil, trotzdem erschwerte man ihnen auf jede Weise die Teilnahme an internationalen Kongressen, obwohl sie längst im Rentenalter waren. Zu einem Kongress in der Schweiz wurden ihnen fünf Mark der DDR pro Person 1:1 umgetauscht, im Jahr darauf wurde ihnen die Teilnahme an einem solchen Kongress in Wien ohne Begründung verweigert. Nicht einmal ein Telefon wurde ihnen in der DDR zugestanden, obwohl Urbahn sogar Ehrenbürger von Zehdenick geworden war. Über diese Ehrung hatte er sich besonders gefreut, wenn’s ie auch beide über die unbegreiflichen Schikanen oft verärgert waren. Diese gingen aber nicht von der Stadt aus. Getragen hat Urbahn seine Orden nicht. Jeden Sommer fuhren sie in das Naturschutzgebiet am Ostufer der Müritz, um dort hauptsächlich Nachtfang für ihre Forschungen zu betreiben. Mit großer Energie hat besonders seine Frau Herta um diese Möglichkeit gekämpft, denn sie erledigte alle schriftlichen Arbeiten. Mein Mann Ernst Kiesel wurde ihr Assistent und Fahrer und sammelte auch selbst. Trotz ihrer Altersbeschwerden waren sie bis zu Dr. Urbahns Ableben am 12. Januar 1983 aktiv. Seine zwölf Jahre jüngere Frau Herta folgte ihm in der Nacht darauf freiwillig in den Tod.
Die Erinnerung an sie bleibt in unserer Stadt lebendig, denn sie waren auch im Naturschutz und im Kulturbund der DDR vorbildlich tätig, freundlich und hilfsbereit. Eine Erinnerungstafel hat der Kulturbund an seinem Elternhaus anbringen lassen, eine Straße im Neubaugebiet Nord in Zehdenick ist nach ihm benannt.
Lotte Kiesel